Wie alles begann

Wenn der «Reussbote» 125 Jahre alt wird, dann heisst das nicht, dass in Mellingen erst seit 125 Jahren gedruckt wird. Bereits 1860 war ein Buchbinder Albert Frey in Mellingen tätig, der auch Drucksachen lieferte. Schon sein Vater Michael Frey war Buchbinder und Drucker. Ein weiterer Buchdrucker wird im Gemeinderatsprotokoll vom 18. Februar 1868 erwähnt. Und von einem Schriftsetzer auf Wanderschaft erhielt der Gemeinderat 1884 Kenntnis.

Über die Anfänge des Reussbote gibt «Das Buch der Schweizer Zeitungsverleger» Auskunft. Dort heisst es: «Auch im Städtchen Mellingen ist das Verlangen nach einer eigenen Presse erwacht. In den Orten Baden, Bremgarten, Lenzburg und Wohlen bestanden bereits Zeitungen. Das Mellinger Gewerbe inserierte wahllos in einer dieser Zeitungen. Als sich dann aber bei den Geschäftsleuten eine wirtschaftliche Zersplitterung fühlbar zu machen begann, da kamen ein paar kluge Leute auf den Gedanken, ein eigenes Blatt zu schaffen. Ein Komitee, unter Führung von Fabrikant Rohr, wurde bestellt. Dieses veranlasste den Badener Verleger und Buchdrucker Otto Wanner (senior) zur Einrichtung einer kleinen Druckerei im oberen Boden des Gemeindehauses.»

Reuss-Kraftwerkbau in der Kritik
Der Überlieferung nach, spielt aber noch ein weiterer Grund zur Schaffung einer Lokalzeitung mit. Das im Aargau heftig umstrittene Projekt eines Kraftwerkbaus in Mellingen sollte verwirklicht werden. Die Befürworter gingen nicht immer sanft mit den Gegnern um. Das führte dazu, dass alle Aargauer Zeitungen die Einsendungen nicht mehr veröffentlichten. Um aber ein Sprachrohr zu haben, wurde der «Reussbote» gegründet. Nicht überall war die erste Ausgabe willkommen. Nach dem «Gruss an die Leser» in der ersten Ausgabe, verbunden mit dem Wunsch, dass die Zeitung als willkommener Gast überall freundliche Aufnahme fände, schrieb der Verleger in der zweiten Ausgabe: «Hat schon die Mise en scène des Reussboten da und dort viel zu schreiben gegeben, so ist nicht zu verwundern, dass die erste Nummer, schon von verschiedenen Seiten auf Existenzberechtigung taxiert und herunterkritisiert wird; wer sich in der Öffentlichkeit stellt, der muss sich auch der Kritik gefallen lassen, das ist eine alte Geschichte. Aber dass wir uns mit Beantwortung von Kritiken befassen, aus welchen der personifizierte Konkurrenzneid herausspricht, werden uns die Leser nicht zumuten. Wir müssen uns einer Sprache bedienen, wie unsere Kritikaster, welche teilweise da anfängt, wo Henry Rochefort, der alte Laternenliterat und Professionschimpfer, seine Feder schon Stumpf geschrieben hat.»

1903 ging die Zeitung in den Besitz von Albert Rymann über, der sich am 7. Dezember 1911 verabschiedete. In der folgenden Ausgabe wurde der Fislisbacher Ernst Schibli als Nachfolger vorgestellt. An Weihnachten 1913 machte Schibli dem in Rom arbeitenden Albert Nüssli das Angebot, die Druckerei mit Zeitung zu übernehmen. Dieser Kauf erfolgte auf den 1. April 1914. Seither ist die Druckerei mit Verlag im Besitze der Familie Nüssli; sie wird heute in dritter und vierter Generation geführt.

125 Jahre Reussbote